Terra Anima Blog
Neuigkeiten und Erkenntnisse aus der Kompostwelt
Totholzpyramide
Totholzpyramiden – wichtige Habitatstrukturen in der Natur
Von 2001 bis 2003 wurde eine Lindenallee im Stadtzentrum von Dresden komplett gefällt. Viele der ca. 80 Jahre alten Linden hatten Baumhöhlen. Die Allee befand sich neben dem Großen Garten, einem ca. 180 Hektar großen Park mit bedeutendem Altbaumbestand und mindestens 200 Brutbäumen des Juchtenkäfers (Osmoderma eremita). Wie zu erwarten war, konnten nach der Fällung der ersten Linden Mulmhöhlen mit Larven des Juchtenkäfers festgestellt werden. Daher wurde vereinbart, diejenigen Höhlenbäume stehend zu lagern, bei denen Besiedlungsspuren des Juchtenkäfers gefunden wurden.
Nach dem Einkürzen der Kronen bis auf 1 Meter lange Aststummel und der Arretierung der Stämme mit einem Kran wurden sie durch Wurzelhalsschnitt abgesägt und langsam umgelegt, um ein Auseinanderbrechen der hohlen Stammpartien zu verhindern. Anschließend wurden die 6 bis 8 Meter langen Stämme auf Tieflader und große Container verladen und zu einem etwa 2 Kilometer entfernten Gelände am Rand des Waldgebietes „Dresdner Heide“ gebracht. Dort wurden sie zu den sogenannten „Totholz-Pyramiden“ aufgebaut. Um den größten Stamm in der Mitte wurden fünf weitere Stämme so steil wie möglich angelehnt, sodass sich die Aststummel ineinander verkeilten. Die Wurzelballen dienten dazu, den Schwerpunkt so weit wie möglich unten zu halten und eine höhere Standsicherheit zu gewährleisten. Jeder Stamm wurde, nachdem er die optimale Position erreicht hatte, mit Erdreich angefüllt, um eine relative Festigkeit zu gewährleisten. Zum Abschluss wurden die Stämme oben mit einem Stahlseilring verzurrt und nach drei Seiten mit Stahlseilen und Spannschlössern arretiert sowie mit 1 Meter langen Stahlankern im Boden befestigt. Das Astmaterial wurde anschließend ringförmig um die „Pyramide“ aufgeschichtet, wobei die Stammfüße frei blieben.
Im Sommer 2003, nach dem Aufbau der letzten Pyramide, erfolgte eine erste Kontrolle der Standsicherheit, verbunden mit einer einstündigen Erfassung der Holzkäferfauna durch Beobachtung und Handfänge. Dabei wurden drei bemerkenswerte Arten festgestellt, die in der bundesdeutschen Roten Liste stehen: der Rindenkäfer Synchita separanda (RLD: „ausgerottet/ ausgestorben/ verschollen“), der Bastplattkäfer (Laemophloeus monilis, RLD: „gefährdet“) und der Marmorierte Goldkäfer (Protaetia lugubris, RLD: „stark gefährdet“). Die zuletzt genannte Art gilt zudem laut Bundesartenschutzverordnung als „besonders geschützt“.
Im Jahr 2011 erfolgte eine erneute Erfassung der Holzkäferfauna. Neben gelegentlichen Handfängen kamen zwei Fensterkreuzfallen zum Einsatz, die in ca. 4 Meter Höhe von April bis Oktober in zwei der sechs Pyramiden gehängt und monatlich geleert wurden. In den Lufteklektoren konnten insgesamt 135 xylobionte (holzbewohnende) Käferarten festgestellt werden, darunter 43 Rote-Liste-Arten. Mittels Handfängen wurden 54 Holz- und Pilzkäferarten nachgewiesen, davon 15 Rote-Liste-Arten. Insgesamt wurden 157 xylobionte Käferarten bzw. 48 Rote-Liste-Arten sowie neun Arten, die nach Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt sind, festgestellt.
Ernst Tochtermann aus dem Spessart hat sich der Hirschkäferrettung verschrieben. Um den größten einheimischen Käfer zu fördern, entwickelte er das Konzept der Totholzmeiler, die den Larven Lebensraum bieten und die inzwischen in ganz Deutschland nachgebaut werden.
Er ist eine Größe in der Hirschkäferforschung. Viele Jahre erforschte er in Ungarn die Biologie des Insekts. Eine Totholzpyramide (siehe Blogfoto) baut auf diesen Erfahrungen auf und ist relativ einfach im eigenen Grundstück umzusetzen. Bei einem Besuch des Büros des DLV, Regionalbüro Meißen, habe ich einen „Bauplan“ zum Errichten einer solchen Pyramide entdeckt (DLV = Deutscher Verband für Landschaftspflege). Die Biologin Nadja Stoschek beschreibt hier den Aufbau eines Insektentummel- und Beobachtungsplatzes.
Nachdem Ende Februar 2024 auf dem Gelände des Innovationszentrums Meißen (wir sind hier Mieter) einige Robinien- und Ahornbäume gefällt werden mussten, da sie auf den Parkplatz zu stürzen drohten und eine mächtige Eiche vom Totholz befreit wurde, habe ich mir dieses Holz erbettelt, um mir diese Totholzpyramide zu bauen.
Die Basis bildet ein quadratischer Steinsockel aus Bruchsteinen (hier Roter Granit) mit einer Seitenlänge von 1,5 Metern, der den Verrottungsprozess des Holzes verlangsamen soll. Dieser ist am Boden feucht und an der Oberseite trocken und warm und hält das Gehölz trocken. Vier Stämme von frisch geschnittenen Robinien bilden den Rahmen der Pyramide mit einer Höhe von ca. 2,8 Metern. In die Mitte habe ich einen ca. 3,8 Meter hohen Stamm mit einem Querholz gestellt als Ansitzwarte. Liegend aufgeschichtet ist das Totholz der Eiche, das Totholz einer Esche und einer Weide (beide stark befallen von verschiedenen Insekten und Pilzen). Hier bestand die Gefahr abbrechender Äste, die uns und Wanderer auf dem angrenzenden Bahngässchen direkt bedrohten. Weitere Holzfundstücke (Birke, Ahorn, Holunder) mit Insekten- oder Pilzbefall vervollständigen das Bauwerk.
Diese reich strukturierte vierseitige Pyramide bietet Lebensraum für Insekten wie Wildbienen (die Blaue Holzbiene ist bei uns schon heimisch), Wespen, Käfer, Spinnen und viele andere. Ich bin gespannt, was es hier zukünftig alles zu beobachten geben wird!
Viele Grüße
Horst Wagner
Aufbau meiner Totholzpyramide
Sockel mit Testaufbau
Aufbau mit beschriebenem Totholz
Aufbau mit beschriebenem Totholz
Finale Totholzpyramide
Hallo Herr Wagner, hätten Sie noch ein paar Bilder von ihrem Projekt?
Lieber Herr Radon, sehr gern habe ich noch weitere Fotos in den Beitrag integriert. Viele Grüße, Horst Wagner
Finde ich super spannend. Werde ich nachbauen.
Eine wahre Attraktion für den Garten, sie ist wunderschön geworden.
Danke für die tolle Anregung.
Was kann man denn für die Sturmfestigkeit tun, und ist sie im Schatten genauso sinnvoll positioniert wie in der Sonne, oder ist eines zu bevorzugen?
Viele Grüße, Sabine.
Hallo Sabine,
danke für das Kompliment! Ich behaupte mal sie ist Sturmfest. In der 2. Holzschicht liegen schwere Holzstämme von der Weide und dicke Äste der Eiche. Durch die Art des Aufbaus und die Querbretter steht die Pyramide absolut sicher. Ich habe mich für einen halbschattigen Platz entschieden. In der prallen Sonne sollte die Pyramide wohl etwas größer sein damit sie im Hochsommer nicht völlig austrocknet.
Viele Grüße
Horst Wagner
LIeber Herr Wagner!
Das ist ein echtes Schmuckstück für jeden Naturgarten und kommt außerdem dem Ornungsbedürfniss vieler Menschen entgegen.Die Natur wird’S ihnen danken.
Vielen Dank für die tolle Inspiration.
Hallo Cornelia,
ich freue mich, dass es Ihnen gefällt und Sie vielleicht ein wenig inspirieren konnte.
Beste Grüße
Horst Wagner
Lieber Horst, das ist in der Tat eine interessante Sache… meinst Du dass die Größe der Pyramide eine Rolle spielt?
Hallo Herr Richter,
in einem Kommentar wurde ich darauf hingewiesen, dass es im Landkreis Meißen schon einige dieser Pyramiden gibt mit einer Höhe von 4m. Meine Pyramide habe ich allein, ohne Hilfsmittel (außer der Kettensäge) aufgebaut. Es ist also für jeden Gartenbesitzer umsetzbar. Das war mir wichtig bei diesem Projekt.
Viele Grüße
Horst Wagner
Die Pyramide könnte dann noch mit Efeu bewachsen werden und es entstehen wunderschöne Gartenelemente, auch für Nistplätze für Vögel.
Ich lasse bei Bäumen die gefällt werden müssen den Stamm stehen.
Hallo,
das geht natürlich auch, der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Viele Grüße
Horst Wagner
Lieber Herr Wagner, danke für diese Anregung. Es kommt genau zur rechten Zeit. Mit tut es immer so leid, wenn hier in Westfalen so viel schönes frisches Holz auf den Osterfeuern verbrannt wird. Ich habe noch eine Frage zu Eiben. Ich habe so viele Eibenholzreste. Es ist ja ein einheimisches Holz. Stört das mit seiner gewissen Giftigkeit so eine Totholzpyramide? Liebe Grüße aus Westfalen von Gudrun Tucholski
Hallo Frau Tucholski,
diese TH-Pyramide ist im Prinzip ein anders gestalteter Totholzhaufen oder -hecke, auch Benjeshecke genannt. Das Füllmaterial besteht aus Ästen und Stämmen von Laubbäumen. Eibenholz ist sehr langlebig und pilzresistent und eignet sich nur sehr eingeschränkt für den Aufbau eines Totholzhaufens in welcher Bauausführung auch immer.
Viele Grüße
Horst Wagner
Hallo,
eine sehr schöne Anregung. Habe Platz und Material zum Nachbau. Was spricht dagegen, als Untergrund alte Schieferplatten zu nehmen, eine Schicht so ca. 10 cm hoch? Habe davon noch ca. 2 Kubikmeter. Vielleicht kann man auch angegammeltes Feuerholz einbauen?
Aber bringt die Pyramide wirklich mehr ökologischen Nutzen als ein wilder Altholzwall, der über die Jahre so ca. 30 Meter lang und 4-5 Meter breit ist? Im Unterschied ist es eher ein zusätzliches Gestaltungselement für den Garten. Viele Grüße
Hallo,
Sie haben Recht, es ist vom Prinzip ein Totholzhecke nur von der Form her anders gestaltet. Schieferplatten gehen auch, nur müssen dazwischen Spaten bleiben die den Zugang zum „gewachsenen“ Boden unter der Pyramide ermöglichen.
Viele Grüße
Horst Wagner
Hallo Herr Wagner, die Pyramide die Sie beim DVL gefunden haben ist ein Entwurf unserer Firma (LandWaldBaum) und wurde von uns schon mehrfach im Landkreis Meißen aufgebaut. Unsere Pyramiden sind um die 4m hoch. Es gibt einige Details die Sie nicht ganz richtig nachgebaut haben. Vielleicht sollten wir mal dazu telefonieren!
Hallo Tobias, genau, wir telefonieren, bis in Kürze!
ich war auf ihrer LandWaldBaum Seite, habe aber leider keine Bilder zu ihren Pyramiden gefunden. Über einen Link hier würden sich sicher einige freuen. Tue gutes und rede darüber 😉
ein schönes Projekt, das werden wir mal hier bei uns in Kanada nachbauen 😉
lieben Gruß von Frank Eckhardt
Hallo Frank,
das klingt nach einem Plan 🙂
Viel Erfolg dabei und viele Grüße nach Kanada!
Horst Wagner