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Totholzpyramide

von | 04.03.24 | Allgemein | 20 Kommentare

Aktivierung und Purifikation der Pflanzenkohle

Totholzpyramiden – wichtige Habitatstrukturen in der Natur

Von 2001 bis 2003 wurde eine Lindenallee im Stadtzentrum von Dresden komplett gefällt. Viele der ca. 80 Jahre alten Linden hatten Baumhöhlen. Die Allee befand sich neben dem Großen Garten, einem ca. 180 Hektar großen Park mit bedeutendem Altbaumbestand und mindestens 200 Brutbäumen des Juchtenkäfers (Osmoderma eremita). Wie zu erwarten war, konnten nach der Fällung der ersten Linden Mulmhöhlen mit Larven des Juchtenkäfers festgestellt werden. Daher wurde vereinbart, diejenigen Höhlenbäume stehend zu lagern, bei denen Besiedlungsspuren des Juchtenkäfers gefunden wurden.

Nach dem Einkürzen der Kronen bis auf 1 Meter lange Aststummel und der Arretierung der Stämme mit einem Kran wurden sie durch Wurzelhalsschnitt abgesägt und langsam umgelegt, um ein Auseinanderbrechen der hohlen Stammpartien zu verhindern. Anschließend wurden die 6 bis 8 Meter langen Stämme auf Tieflader und große Container verladen und zu einem etwa 2 Kilometer entfernten Gelände am Rand des Waldgebietes „Dresdner Heide“ gebracht. Dort wurden sie zu den sogenannten „Totholz-Pyramiden“ aufgebaut. Um den größten Stamm in der Mitte wurden fünf weitere Stämme so steil wie möglich angelehnt, sodass sich die Aststummel ineinander verkeilten. Die Wurzelballen dienten dazu, den Schwerpunkt so weit wie möglich unten zu halten und eine höhere Standsicherheit zu gewährleisten. Jeder Stamm wurde, nachdem er die optimale Position erreicht hatte, mit Erdreich angefüllt, um eine relative Festigkeit zu gewährleisten. Zum Abschluss wurden die Stämme oben mit einem Stahlseilring verzurrt und nach drei Seiten mit Stahlseilen und Spannschlössern arretiert sowie mit 1 Meter langen Stahlankern im Boden befestigt. Das Astmaterial wurde anschließend ringförmig um die „Pyramide“ aufgeschichtet, wobei die Stammfüße frei blieben.

Im Sommer 2003, nach dem Aufbau der letzten Pyramide, erfolgte eine erste Kontrolle der Standsicherheit, verbunden mit einer einstündigen Erfassung der Holzkäferfauna durch Beobachtung und Handfänge. Dabei wurden drei bemerkenswerte Arten festgestellt, die in der bundesdeutschen Roten Liste stehen: der Rindenkäfer Synchita separanda (RLD: „ausgerottet/ ausgestorben/ verschollen“), der Bastplattkäfer (Laemophloeus monilis, RLD: „gefährdet“) und der Marmorierte Goldkäfer (Protaetia lugubris, RLD: „stark gefährdet“). Die zuletzt genannte Art gilt zudem laut Bundesartenschutzverordnung als „besonders geschützt“.

Im Jahr 2011 erfolgte eine erneute Erfassung der Holzkäferfauna. Neben gelegentlichen Handfängen kamen zwei Fensterkreuzfallen zum Einsatz, die in ca. 4 Meter Höhe von April bis Oktober in zwei der sechs Pyramiden gehängt und monatlich geleert wurden. In den Lufteklektoren konnten insgesamt 135 xylobionte (holzbewohnende) Käferarten festgestellt werden, darunter 43 Rote-Liste-Arten. Mittels Handfängen wurden 54 Holz- und Pilzkäferarten nachgewiesen, davon 15 Rote-Liste-Arten. Insgesamt wurden 157 xylobionte Käferarten bzw. 48 Rote-Liste-Arten sowie neun Arten, die nach Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt sind, festgestellt.

Ernst Tochtermann aus dem Spessart hat sich der Hirschkäferrettung verschrieben. Um den größten einheimischen Käfer zu fördern, entwickelte er das Konzept der Totholzmeiler, die den Larven Lebensraum bieten und die inzwischen in ganz Deutschland nachgebaut werden.

Er ist eine Größe in der Hirschkäferforschung. Viele Jahre erforschte er in Ungarn die Biologie des Insekts. Eine Totholzpyramide (siehe Blogfoto) baut auf diesen Erfahrungen auf und ist relativ einfach im eigenen Grundstück umzusetzen. Bei einem Besuch des Büros des DLV, Regionalbüro Meißen, habe ich einen „Bauplan“ zum Errichten einer solchen Pyramide entdeckt (DLV = Deutscher Verband für Landschaftspflege). Die Biologin Nadja Stoschek beschreibt hier den Aufbau eines Insektentummel- und Beobachtungsplatzes.

Nachdem Ende Februar 2024 auf dem Gelände des Innovationszentrums Meißen (wir sind hier Mieter) einige Robinien- und Ahornbäume gefällt werden mussten, da sie auf den Parkplatz zu stürzen drohten und eine mächtige Eiche vom Totholz befreit wurde, habe ich mir dieses Holz erbettelt, um mir diese Totholzpyramide zu bauen.

Die Basis bildet ein quadratischer Steinsockel aus Bruchsteinen (hier Roter Granit) mit einer Seitenlänge von 1,5 Metern, der den Verrottungsprozess des Holzes verlangsamen soll. Dieser ist am Boden feucht und an der Oberseite trocken und warm und hält das Gehölz trocken. Vier Stämme von frisch geschnittenen Robinien bilden den Rahmen der Pyramide mit einer Höhe von ca. 2,8 Metern. In die Mitte habe ich einen ca. 3,8 Meter hohen Stamm mit einem Querholz gestellt als Ansitzwarte. Liegend aufgeschichtet ist das Totholz der Eiche, das Totholz einer Esche und einer Weide (beide stark befallen von verschiedenen Insekten und Pilzen). Hier bestand die Gefahr abbrechender Äste, die uns und Wanderer auf dem angrenzenden Bahngässchen direkt bedrohten. Weitere Holzfundstücke (Birke, Ahorn, Holunder) mit Insekten- oder Pilzbefall vervollständigen das Bauwerk.

Diese reich strukturierte vierseitige Pyramide bietet Lebensraum für Insekten wie Wildbienen (die Blaue Holzbiene ist bei uns schon heimisch), Wespen, Käfer, Spinnen und viele andere. Ich bin gespannt, was es hier zukünftig alles zu beobachten geben wird!

Viele Grüße
Horst Wagner

Aufbau meiner Totholzpyramide

Sockel mit Testaufbau

Aufbau mit beschriebenem Totholz

Aufbau mit beschriebenem Totholz

Finale Totholzpyramide